Wenn wir einen Hund über Kommunikation führen wollen, ist es unausweichlich, sich mit seinem Wesen auseinanderzusetzen. Die folgenden 4 Blogbeiträge beschäftigen sich mit dem Thema „Der Hund – der geführt wird“. In diesem Beitrag möchte ich näher darauf eingehen, wie Sie das Wesen des Hundes erfassen können.
Wie organisieren sich Hunde? Wie kommt Bindung unter Hunden zustande und was können wir daraus lernen? Wie kommunizieren Hunde und welche kommunikativen Interaktionen – Symbole – können artübergreifend von uns genutzt werden?
In der Hundeausbildung ist immer noch vom „Alpha“-Prinzip die Rede. Eine fixe hierarchische Ordnung wie in einem fest strukturierten Rudel, das gemeinsam Großwild jagen muss, macht für die Lebensweise eines Hundes keinen Sinn und entspricht auch nicht seiner Natur. Viel wahrscheinlicher ist, dass sich die Vorfahren unserer jetzigen Haushunde aus Partizipationsgründen den Menschen genähert und angeschlossen haben. Das heißt: Der Hund will an menschlichen Ressourcen teilhaben. Darum sucht er dessen Nähe. Es ist einzusehen, dass es keinen Unterschied für ihn macht, welcher Mensch ihm das Überleben sichert.
Hunde organisieren sich nicht als Rudel mit starren Positionen, sondern bilden bindungsflexible soziale Gruppen. So haben Hunde ein äußerst starkes Interesse daran, mit Artgenossen bei Begegnungen in Kontakt zu treten. Diese Eigenschaft erschwert es vielen Hundehaltern, ihre Hunde bei Hundebegegnungen entsprechend zu kontrollieren, beziehungsweise diese problemlos von einer Kontaktaufnahme abzuhalten.
Hunde sind Spezialisten für bestimmte Bereiche und tendieren zu entsprechendem Verhalten. Solche angeborenen Verhaltensmuster wie Bewachen, Jagen, Hüten etc. sind rassespezifisch und individuell angelegt und ausgeprägt. Hunde besitzen keinen freien Willen. Sie haben nur einen kleinen Handlungsfreiraum „eigener Wille“, und auf diesen können sie nur zugreifen, wenn keine ihre Instinkte ansprechenden Reize vorliegen, die zwingend ein bestimmtes Verhalten bei ihnen auslösen.
In der von Menschen geschaffenen soziokulturellen Mitwelt sind angeborene Verhaltensmuster nur unter ganz bestimmten Rahmenbedingungen geduldet beziehungsweise erwünscht. Im Rahmen ihrer sozialen Fähigkeiten können sich Hunde jedoch selbst zurücknehmen und zum Vorteil der sozialen Gruppe Alternativverhalten in ihr Repertoire aufnehmen. Zum Beispiel, wenn ein Jagdhund im Wald Menschen suchen soll und Wildspuren dabei ausklammert. Allerdings, je öfter der Hund seine Instinkte ausleben durfte, desto schwieriger wird es für ihn, sich selbst zu zügeln und für uns, ihn kontrollieren zu können.
Deshalb ist es unabdingbar, mit dem Hund zu klären, wann ein Verhalten gewollt und wann es nicht gestattet ist. Dazu bedarf es der Kommunikation. Insbesondere der gewünschte Verhaltensabbruch muss vom Menschen explizit und aktiv kommuniziert werden. Bloßes Umlenken auf ein Alternativverhalten oder Ignorieren des problematischen Verhaltens (das im Übrigen für den Hund oft selbstbelohnend ist), verdeutlichen dem Hund nicht, dass sein gezeigtes Verhalten unerwünscht ist oder von uns als Fehlverhalten bewertet wird. Hier ist insbesondere Prävention eine sinnvolle Möglichkeit, um auf für alle Beteiligten unangenehme Strafaktionen verzichten zu können. Bedenken Sie: Was „Klein Rexi“ von Anfang an nicht gestattet wird, muss ihm später auch nicht mühsam abgewöhnt werden.
Soziales Miteinander einer Hundegruppe folgt bestimmten Prinzipien und ist auf eine ganz spezifische Weise geordnet. Hunde erleben sich innerhalb einer Gruppe durch ständiges Abgleichen und Ausloten ihrer Befindlichkeiten und Bedürfnisse. Das zentrale psychosoziale Regulativ bei der Organisation der Gruppe ist prosoziale Aggression. Dies funktioniert nach dem Verhaltensschema „Drohung“ und einer entsprechenden Reaktion darauf. Ein Hund beansprucht zum Beispiel Beute, Territorium, einen Liegeplatz oder Ähnliches, ein anderer Hund fordert in der spezifischen Situation dasselbe. Diese Interessenkonkurrenz wird üblicherweise durch Drohen, Imponieren und entsprechende Reaktion kommuniziert und damit abgeklärt. Hunde versuchen dabei möglichst wenig Schaden zu nehmen. Wenn wir uns hier entsprechend einbringen, ist es sogar möglich, die Realitätsebene der Hunde mitzuerleben und ihr Weltbild mitzugestalten.
Hunde können relativ problemlos mit den komplexen sozialen Rahmenbedingungen der Menschenwelt zurechtkommen. Es ist ihnen möglich, eine sehr enge, auf Kommunikation begründete Sozialpartnerschaft mit dem Menschen einzugehen. Sie sind in der Lage, die Bedeutung von Signalen des Menschen zu erfassen und darauf sinnvoll zu reagieren. Eine enorme Leistung, wenn man bedenkt, dass Hunde von Natur aus instinkt- und nicht vernunftgesteuert sind. Das ist letztlich wohl auch der Grund dafür, warum es möglich war, sie so eng wie kein anderes Tier in das Sozialsystem des Menschen einzubinden.
Das zugehörige Buch „Der Hund an der Leine“ ist in unserem Shop erhältlich.
Schon seit Jahrzehnten wird in der Jagdhundeausbildung die Reizangel eingesetzt, um bei Jagdhundwelpen Motivation zum Nachhetzen und Zupacken zu wecken und speziell bei Vorstehhunden das Vorstehverhalten auszulösen und zu festigen. Im Bereich Familienhund wusste damals fast niemand, was eine Reizangel ist und wozu sie dienen könnte.
Welpen können regelrechte Wutanfälle bekommen, wenn man sie einschränkt, andere kommen einfach nicht zur Ruhe, sie schütteln alles was sie erwischen hin und her, sie zupfen und zerreißen was sie ins Maul bekommen, sie sind genau das Gegenteil eines süßen Welpen und mutieren zu regelrechten Monsterbabys.