DER HUND – DER GEFÜHRT WIRD #3

Juli 11, 2019

DER HUND – DER GEFÜHRT WIRD #3

In diesem Blogbeitrag erhalten Sie einen Überblick über die gruppenorganisierenden Verhaltensmuster und Strukturierungsmuster von Hunden.

GRUPPENORGANISIERENDE VERHALTENSMUSTER

Die während des kommunikativen Prozesses zur Schaffung einer sozialen Ordnung in einer Gruppe gezeigten Verhaltensmuster wurden von mir entschlüsselt und unter dem Oberbegriff Gruppenorganisierende Verhaltensmuster (GrOVM) in den letzten Jahren beschrieben und sollten als eigener Funktionskreis verstanden werden. Diese Verhaltensmuster lassen sich jeweils wieder nach zugehöriger Funktion und zeitlichem Auftreten in Gruppenbildende oder Gruppenzusammenhaltende Verhaltensmuster unterteilen. In diesen beiden Bereichen werden von Hunden des Weiteren Interaktions-, Interaktionsspiel- und Strukturierungsmuster gezeigt. Sie sind ein wichtiger kommunikativer und sozialer Prozess. Bei diesen Verhaltensmustern handelt es sich nicht um Spiel im engeren Sinn. Um den Blick auf diese Verhaltensmuster nicht unnötig zu trüben, sollten sie deshalb nicht unter den Oberbegriff Spielverhalten fallen.

Interaktionsmuster

Ein Beispiel aus der Hundeschule: Die Hunde befinden sich im Freilauf. Ein Rüde nähert sich einer ihm bis dahin unbekannten Hündin, um an ihr zu schnuppern (Beginn eines Gruppenbildenden Interaktionsmusters). Die Hündin reagiert auf diese Distanzunterschreitung, indem sie leicht den Kopf hebt und den Rüden mit einem drohenden Blick fixiert. Ignoriert der Rüde dieses Signal, wird die Hündin ihr Drohen vielleicht noch kurz verstärken, indem sie leicht die Lefzen hochzieht und die Zähne zeigt. Wendet sich der Rüde jetzt ab, kann sich die Hündin wieder entspannen. Verändert der Rüde sein Verhalten jedoch nicht, kommt es unweigerlich zu einer reglementierenden Attacke durch die Hündin, die so lange fortgesetzt und intensiviert wird, bis sich der Rüde zurücknimmt. Augenblicklich wird die Hündin daraufhin ihre Attacke einstellen. In beiden Fällen wird eine Übereinkunft getroffen, auf die jederzeit zurückgegriffen werden kann. Sie bleibt also gültig, solange keine neue Übereinkunft zum selben Thema getroffen wird.

Interaktionsspielmuster

Die Drohungen der Hündin und das Sich-Zurücknehmen des Rüden haben insgesamt bewirkt, dass beide von der wechselseitigen Möglichkeit der Beeinflussung wissen und auf den Bedeutungsinhalt der gezeigten Signale vertrauen können. Jeder fühlt sich vom anderen verstanden. Das eröffnet den Hunden die Möglichkeit, in einem Gruppenbildenden Interaktionsspielmuster weitere soziale Aspekte ritualisiert abzuklären. Zum Beispiel kann das Überlassen von Beute nun unter Zuhilfenahme von Objekten und unter Einbringung eigener Ideen der Individuen geklärt werden. Bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen bleibt die Übereinkunft für die beteiligten Hunde bestehen. Die Hunde erachten sie als gültig und werden jederzeit darauf zurückgreifen. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Mensch in dieses Kommunikationsmuster mit einbezogen werden kann. Leider hat dieser von der Existenz solcher Interaktionsspielmuster meistens gar keine Ahnung. Es ist leicht vorstellbar, welche schwerwiegenden Missverständnisse das zur Folge haben kann (im kommenden Blogbeitrag werde ich genauer darauf eingehen).

Strukturierungsmuster

Es gibt noch ein weiteres Verhaltensmuste innerhalb Gruppenbildender oder Gruppenzusammenhaltender Verhaltensmuster. Es handelt sich um ein – wie ich es nenne –Strukturierungsmuster. Zum Beispiel werden Gruppenmitglieder bei Fehlverhalten von ihren Artgenossen im Rahmen eines „instinktiven Wertesystems“ gemäß dieses Strukturierungsmusters reglementiert. Das Strukturierungsmuster wird nach meinen Erkenntnissen je nach Rasse und Individualität des Hundes entsprechend gezeigt. Oberflächlich betrachtet erscheint ein Strukturierungsmuster wie ein Interaktionsmuster. Es unterscheidet sich jedoch von diesem, da hierbei der Rest der Gruppe vom „Strukturierer“ nicht aus den Augen gelassen wird.

Ein Beispiel aus der Hundeschule: Die Hunde befinden sich im Freilauf. Anfangs herrscht heilloses Durcheinander. Ein Hund, mit der angeborenen Tendenz zu strukturieren, bemüht sich, Ordnung in die Gruppe zu bringen. Er nähert sich dabei jedem einzelnen Individuum, das an der Unruhe beteiligt ist und fordert von diesem ein kurzes Stehenbleiben und Beschwichtigen ein. Das setzt er so lange fort, bis ein entspanntes Miteinander unter den Hunden stattfindet und Ordnung erkennbar wird. Dabei behält er wie nebenbei den Rest der Gruppe im Auge. Auch Menschen sind in der Lage, Ordnung in eine Hundegruppe zu bringen. Dies wäre besonders beim Initiieren von Welpengruppen notwendig. Hier ist fachkompetentes Handeln gefragt, damit den Welpen ein hündisches Wertesystem vermittelt wird. Leider werden Welpen zu oft einer negativen Gruppendynamik überlassen. Nur inkompetente Trainer vertrauen darauf, dass sich Welpen ohne entsprechenden Erfahrungsschatz selbst und ausreichend sozialisieren.

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