Je häufiger der unangeleinte Hund die Erfahrung macht, dass der Mensch „keine Rolle spielt“, umso mehr kommt es zu seiner Verselbstständigung. Einflussnahme durch den Menschen wird dann deutlich schwieriger beziehungsweise manchmal leider fast unmöglich. Hat der Mensch bei Hundebegegnungen zum Beispiel keine ausreichende Kontrolle mehr über seinen Hund, macht dieser die Erfahrung, dass er sich einerseits entziehen kann und andererseits allein auf sich gestellt mit Artgenossen Übereinkünfte treffen kann und letztendlich auch treffen muss. Unter gezielter Zuhilfenahme der Leine ist es dem Halter jedoch möglich, einen kontrollierten Kontakt herbeizuführen.
Zum Beispiel: Die Hunde in ausreichendem Abstand zueinander über Geste ins „Sitz“ bringen, wenn nötig über den gezielten Einsatz der Leine ins „Sitz“ beugen, mit dem anderen Hundehalter ein kurzes Gespräch führen und dann ruhig den Spaziergang fortsetzen. Damit machen die Hunde die Erfahrung, dass ihre Menschen die Situation kontrollieren und zwar zu einem nicht unerheblichen Teil. Die Hundehalter geben ein soziales Modell vor, an dem sich die Hunde unmittelbar orientieren können und letztendlich auch müssen. Zugleich macht der Hund die positive Erfahrung, dass das angebotene Lösungsmodell für ihn von Vorteil ist.
Über eine gezielte Freiraumbeschränkung unter Zuhilfenahme der Leine lernt der Hund mit Situationen und Reizen besser umzugehen, da er ihnen nicht ausweichen kann. Dadurch wird der Hund gelassener und lernt in weiterer Folge zeitgleich mehrere Reize zu verarbeiten. Das fördert seine Selbstkontrolle. Dabei gezeigte Ruhe und Souveränität des Halters und eindeutige Leinen- und Körpersignale vermitteln dem Hund Sicherheit. Er lernt, sich am Verhalten des Menschen zu orientieren.
Die Leine kann dem Hund als passives Objekt eine Information übermitteln und somit als passives Signal Verwendung finden. Bei immer gleichbleibendem Bedeutungsinhalt wird sie zum passiven Symbol.
Ein Beispiel: Die am Boden liegende Leine bezeichnet den Ausgangspunkt, von dem aus der Mensch eine Apportieraufgabe stellt. Der Hund wartet, während der Mensch einen Apportiergegenstand versteckt. Nachdem der Mensch zurückgekehrt ist, wird der Hund zum Apportieren geschickt und kommt mit dem Gegenstand wieder zu der auf dem Boden liegenden Leine zurück, wo er belohnt wird. Die am Boden liegende Leine symbolisiert hier den Ausgangspunkt einer Aufgabenstellung und den Treffpunkt für die Beendigung der Aufgabe (mehr dazu können Sie in meinem Buch "Anton Fichtlmeiers Konzept der Hundeführung" nachlesen).
Auch ein ganz bestimmtes Halsband erzeugt im Hund dann eine entsprechende Erwartungshaltung, wenn dieses immer in einem ganz bestimmten Funktionszusammenhang Verwendung findet. Das jeweilige Halsband wird also mit einer ganz bestimmten Erfahrung verknüpft. Diese kann angenehm oder unangenehm sein. Das Halsband wird damit zum Symbol für das zu Erwartende.
Ein Beispiel: Das Korallen- oder das Stachelhalsband codieren für Schmerz beziehungsweise für eine unangenehme Einwirkung. Die Folge sind Stresssymptome beim Hund. Das Fährtengeschirr oder das Fährten- bzw. Schweißhalsband (ein spezielles Halsband mit Drehwirbel) codieren für eine freudige Erwartungshaltung in Zusammenhang mit einer spannenden Nachsuchenarbeit. Wenn keine schweren Ausbildungsfehler begangen wurden, kann man bereits beim Anlegen freudige Erregung und Erwartung auf eine lustbetonte Aufgabe beim Hund beobachten.
Wichtig! Da Sie als Mensch die volle Verantwortung tragen für alles, was dem Hund an der Leine widerfährt, sollten Sie die Leine sensibel, aufmerksam und verantwortungsbewusst einsetzen.
Schon seit Jahrzehnten wird in der Jagdhundeausbildung die Reizangel eingesetzt, um bei Jagdhundwelpen Motivation zum Nachhetzen und Zupacken zu wecken und speziell bei Vorstehhunden das Vorstehverhalten auszulösen und zu festigen. Im Bereich Familienhund wusste damals fast niemand, was eine Reizangel ist und wozu sie dienen könnte.
Welpen können regelrechte Wutanfälle bekommen, wenn man sie einschränkt, andere kommen einfach nicht zur Ruhe, sie schütteln alles was sie erwischen hin und her, sie zupfen und zerreißen was sie ins Maul bekommen, sie sind genau das Gegenteil eines süßen Welpen und mutieren zu regelrechten Monsterbabys.